Leider kreist die öffentliche Cannabis-Diskussion immer wieder um die Themen Sucht und Jugendschutz. Cannabis spielt aber kaum eine Rolle im System der Suchttherapie. Das ist einer der Gründe warum sich diese „Experten“ mit Cannabiskonsum nicht auskennen und es mit Heroin- und Alkoholabhängigkeit in einen Topf werfen.
Suchtexperten sind sich nicht einig über die Ursachen und Entstehung von Sucht.
Wie in diesem Thread bereits erwähnt ist hier teilweise der berufliche Background verantwortlich. Psychiater scheinen immer noch eher äußere Faktoren zu betonen, z.B. die Wirkung „abhängigkeitserzeugender Substanzen“ für die Entstehung einer Sucht verantwortlich zu machen.
Heutzutage überwiegen aber psychodynamische Erklärungsmodelle und die Entstehung von Abhängigkeiten wird durch seelische Ursachen erklärt. Diese können durch äußere Bedingungen wie schwere Traumata, sexuellen Missbrauch und Gewalt erzeugt werden. Überwiegend dürften aber eher unspektakuläre Entwicklungsstörungen eine Sucht verursachen.
Besonders wichtig finde ich hier die psychoanalytischen Suchttheorien. In der neueren Psychoanalyse werden Süchte mit präödipalen (frühkindlichen) Störungen in Verbindung gebracht.
Das heißt: Es gibt so etwas wie eine seelische Veranlagung zur Sucht. Ein normal gesunder Mensch wird nicht zum Alkoholiker nur weil es im Laden nebenan ein Schnapsregal gibt.
Er kann sich so oft besaufen wie er will, irgendwann lässt er es einfach wieder, wenn er genug gekotzt hat und was Besseres zu tun hat.
Obwohl Stoffe wie Alkohol, Heroin und Benzos eine körperliche Abhängigkeit mit schwersten Entzugserscheinungen erzeugen können, werden nachweislich die wenigsten Leute davon süchtig. Das gilt erst recht für Cannabis, welches keinen solchen schlimmen Entzug verursachen kann. Auch wenn unser „Freund“ Dr. Thomasius und seine Mitstreiter das Gegenteil behaupten: Auch nach jahrelangem, starken Konsum von Cannabis gibt es keine schweren Entzugserscheinungen.
Aber auch was die seelische Abhängigkeit betrifft, ist Alkohol um ein Vielfaches gefährlicher als Cannabis. Alkohol ist der Seelentröster Nr. 1. Alkohol wirkt enthemmend und angstlösend. Beim Saufen vergisst man die Sorgen. Wer unter Hemmungen und Schüchternheit leidet fühlt sich im Suff stark und frei und mutig usw. Deswegen gibt es einen großen Anteil suchtgefährdeter Problemtrinker. Selbst Suchtexperten reden manchmal so, als hätte Cannabis eine ähnlich Wirkung wie Alkohol. Hat es aber nicht. Es wirkt zwar körperlich etwas entspannend, aber durch die typische, leicht psychedelische Wirkung ist es als Mittel zur Realitätsflucht nur bedingt geeignet. (Vielleicht eher als Flucht
hin zur Realität, nicht
weg von der Realität)
Im Gegensatz zum Alkoholrausch ist die Cannabis-Wirkung im Allgemeinen mit einer gesteigerten Sensibilität und erhöhten Wahrnehmung der eigenen Gedanken und Gefühle verbunden. Menschen die unter Ängsten leiden oder sich Sorgen machen, werden sich mit Cannabis kaum wohl fühlen, denn die Wirkung wird wahrscheinlich deren Ängste und Sorgen verstärken. Und dann lassen sie es beim nächsten Mal und holen sich lieber ein Bier. Also auch die Gefahr einer seelischen Abhängigkeit von Cannabis ist deutlich geringer als bei Alkohol. Welcher Therapeut kennt sich damit schon aus?
Im Suchtbereich können neben Ärzten und Psychologen auch Sozialarbeiter und Sozialpädagogen therapeutisch arbeiten. Diese sind wesentlich besser ausgebildet als Ärzte, wenn es darum, geht soziale Gegebenheiten und Problemfelder zu beurteilen. Bereits im Grundstudium beschäftigen sie sich mit Soziologie, Psychologie, Recht und Politik und lernen möglichst unabhängig und vorurteilsfrei zu handeln und verschiedene Blickwinkel einnehmen zu können. Und, wie in diesem Thread schon erwähnt, sind viele von Ihnen für eine vernünftige, liberale Drogenpolitik, besonders wenn sie in der niedrigschwelligen Drogenarbeit arbeiten.
Aber auch hier gibt es Ausnahmen. Ich zitiere mal kurz aus einem Artikel, den Maximilian Plenert in diesem Forum für einen Artikel gepostet hat:
„…Christian Fenn ist gegen die Freigabe von Haschisch, Marihuana, Extasy. Der Sozialpädagoge ist seit 1998 Streetworker bei der Bad Kissinger Drogenhilfe Kidro. Er weiß, wovon er spricht. Würde man Rauschgift liberalisierten, würde das suggerieren, dass diese Drogen "harmlos" sind. Das sei ein "Spiel mit dem Feuer". Er hat zu mehr als 200 Konsumenten regelmäßig Kontakt, trifft etwa ein Dutzend pro Tag…“
(Und die Moral von der Geschicht‘: Fix keine Haschtabletten nicht..)
Grausam, wenn ich den Artikel lese könnte ich mich total aufregen. So ein schwachsinniges Gefasel ist eine Blamage für die ganze Sozialpädagogen-Zunft. In diesem Artikel werden die Auswirkungen von sozialer Verwahrlosung, wie sie oft mit Alkohol- und Heroinabhängigkeit verbunden sind in einem Atemzug mit Cannabis genannt. Der Typ hat keine Ahnung! Ich dachte immer, niedrigschwellige Drogenarbeit ist gleich akzeptierende Drogenarbeit.
Es gibt also Drogenberater die an das Einstiegsdrogenmärchen glauben und sich für die unnötige polizeiliche Verfolgung Ihrer eigenen Klienten einsetzen, denen sie eigentlich helfen sollen. Wie pervers ist das denn? Unprofessionell ist es auf jeden Fall.
Andere Einrichtungen, z.B. Krisenhilfe Bochum (das sind ganz alte Kämpfer auf diesem Gebiet) wissen was Sie tun und können Heroin von Hanf unterscheiden. (Vielleicht können wir ja mal jemanden von der Drogenberatung befragen? Ich habe leider kaum Zeit für sowas…)
Wenn es schon bei den Streetworkern solche Bildungsdefizite gibt, wie sieht es dann erst in der abstinenzorientierten Therapie aus? Das betrifft Cannabis nur indirekt, hier geht es um Alkohol, Medikamente und Heroin. Wenn ich mich recht erinnere haben die Suchtkliniken einige Probleme: Ein hoher Anteil an unfreiwilligen Patienten und sehr hohe Rückfallquoten. Auf den ersten Blick hört sich „Therapie statt Strafe“ ja ganz gut an. Statt in den Knast einzufahren bekommt ein Süchtiger eine Bewährungsauflage „Therapie“. Das ist aber eindeutig ein Zwang unter Androhung einer Freiheitsstrafe. Soweit ich weiß muss er bei der Aufnahme in die Klinik dann aber unterschreiben, dass er freiwillig teilnimmt. Er wird also gezwungen, freiwillig eine Therapie zu machen! (Oder? Schlagt mich tot wenn’s nicht stimmt)
Durch den hohen Anteil an Unfreiwilligen herrscht in den Suchtkliniken jedenfalls teilweise eine knast-ähnliche Atmosphäre, und es will keine rechte Therapiestimmung aufkommen.
Auch wenn es nicht Hanf sondern eher Heroin betrifft: Eine allgemeine Entkriminalisierung von Drogenkonsum könnte hier zu einer Entlastung führen, weil durch den Wegfall eines großen Teiles der Beschaffungskriminalität der Anteil an freiwilligen Patienten steigen könnte. Das wäre ein Argument, dass Therapeuten interessieren dürfte. Sie können dann besser arbeiten und die Klinik hätte eine bessere Quote.
Die Rückfallquote soll bei Drogentherapien höher sein als bei Alkohol. Wenn die legale Verfügbarkeit einer Droge ein Rückfallrisiko wäre, müsste es umgekehrt sein, angesichts der Allgegenwart von Alkohol!
Eine Liberalisierung wird sicherlich nicht den Therapie-Erfolg gefährden, im Gegenteil!
Ein weiteres Problem der abstinenzorientierten Arbeit könnte sein, dass die Therapeuten die strengen Regeln, die unter der Käseglocke eine therapeutischen Gemeinschaft gelten (und gelten müssen), auf die Real-Welt außerhalb der Klinik übertragen.
Und noch was: Viele Therapeuten (verzeiht mir, liebe Therapeuten) wählen Ihren Beruf, um die gestörten, co-abhängigen Beziehungen aus Ihrer Herkunftsfamilie fortzusetzen.
Eine weitere Gruppe von „Helfern“ sind möglicherweise religiöse oder politische Fanatiker. Es gibt z.B. evangelikale Christen (verzeiht mir liebe Christen), die sehen aus wie Späthippies aber Ihre Ansichten entsprechen teilweise denen der rechtskonservativen Amerikaner. Sie halten die Evolutionstheorie für widerlegt und werden uns demnächst beweisen, dass die Erde eine Scheibe ist. Ich vermute, dass sie im sozialen Bereich überdurchschnittlich häufig vertreten sind.
Ich befürchte, professionelle Suchthelfer sind schwer zu überzeugen. Ihre berufliches Ansehen, Ihr Job, Ihr Bankkonto hängen davon ab. Sie werden kaum zugeben, jahrelang unprofessionell gearbeitet zu haben und weiterhin das Einstiegsdrogenmärchen verkünden.
Man muss hier glaube ich beharrlich sachlich argumentieren. Die Suchtkliniken und sozialen Einrichtungen sind auf das Wohlwollen der Politiker, der Therapie-Kostenträger und der Spender angewiesen. Man muss deutlich machen, welchen Schaden die Prohibition anrichtet und das diese auf unprofessioneller Ignoranz wissenschaftlicher Erkenntnisse und Vorurteilen beruht.
Der Mythos „Einstiegsdroge“ war, soweit ich weiß, niemals Bestandteil ernst zu nehmender wissenschaftlicher Erkenntnisse der Suchtforschung. Und dieser Käse hält sich hartnäckig seit -zig Jahren.
Ein Suchtexperte, der solche längst widerlegten Theorien vertritt ist kein Experte, sondern ein Kurpfuscher.