"Ampel 2021" will Cannabis legalisieren - was bedeutet das juristisch?

Freno
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Re: "Ampel 2021" will Cannabis legalisieren - was bedeutet das juristisch?

Beitrag von Freno »

Inzwischen gibt es einen Gesetzesentwurf, der sich in der "Ressortabstimmung" der Regierung befindet - dieses Stadium hieß früher mal "Referentenentwurf":

https://www.lto.de/recht/hintergruende/ ... igenanbau/

Der Text dieses ersten konkreten Entwurfes ist mir immer noch nicht bekannt, aber auch das regierungsamtliche "Eckpunktepapier" vom April sieht eine Straffreiheit des Besitzes von Cannabis bis maximal 25 g vor. Das ist recht viel, mehr als in den meisten Repressionsfällen, von denen hier in diesem Unterforum erichtet wurde, verfolgt wird. In Kraft treten soll dieses 1. Legalisierungs-Gesetz zum Jahreswechsel. Laufend Verfahren sollen dann "ohne weiteres eingestellt" werden.

Auch wenn es stets auf die Umstände des Einzelfalls ankommt und man sich nicht auf Presseartikel verlassen kann, sondern nur auf das Gesetz, daß noch lange nicht in der Welt ist:

Die Chancen sind recht gut, daß in laufenden Repressionsfällen, die unterhalb dieser 25g-Grenze bleiben, strafrechtliche Sanktionen alleine dadurch vermieden werden können, daß das Verfahren so lange am Laufen gehalten wird, bis das Gesetz in Kraft tritt. Wenn es nämlich dann in Kraft tritt, solange ein eventuelles Urteil (oder Strafbefehl nach Einspruch) noch nicht "rechtskräftig" ist, also ein Rechtsmittel - Berufung, Revision - eingelegt ist und dieses auch noch nicht entschieden ist, fällt die Strafbarkeit durch das Inkrafttreten des Gesetzes weg, sofern nicht mehr als der Besitz von 25 g Cannabis zum Eigenverbrauch vorgeworfen wird.

Das heißt aber auch, daß die Strafbarkeit von "Qualifikationen" wie "Inverkehrbringen" oder "Handeltreiben" auch unterhalb der 25 g - Grenze höchstwahrscheinlich erhalten bleibt, ebenso wie "Rauschtaten", va die "Rauschfahrt" mit Kraftfahrzeugen mit den entsprechenden "Nebenwirkungen" auf den Führerschein.

Alldies ist bei Gerichten und Behörden auch bekannt - wie schon öfters gesagt: auch Gerichte und Behörden arbeiten nur sehr ungerne für den Papierkorb. Ein Vorstoß zum "Spiel auf Zeit" durch den Beschuldigten oder seinen Verteidiger dürfte also inzwischen auf sehr offene Ohren treffen, vor allem dann, wenn dieser Vorstoß durch einen anwaltlichen Verteidiger unternommen wird, der eben dieselbe Sprache spricht, wie die Gerichte und Behörden.

Es ist eigentlich allgemein bekannt: im öffentlichen Dienst kann man seinen Stundenlohn nicht dadurch erhöhen, daß man schneller oder besser arbeitet, sondern nur dadurch, daß man Arbeit vermeidet. Richter und Staatsanwälte, die freie Dienstzeiteinteilung haben, können dann früher Feierabend machen, Rechtspfleger und Polizisten müssen zwar auf der Dienststelle bleiben, aber können dienstlich Kaffee trinken, Zeitung lesen oder Skatspielen.

Eine Einstellung des Verfahrens "von wegen Amnestiegesetz" und mit "Textbaustein" (der auch von jedem Richter oder Staatsanwalt für hunderte von gleichgelagerten Fällen verwandt wird) braucht bei der elektronischen Akte nur ein paar Mausklicks. Das Verfahren gleichwohl "durchzuzerren" bedeutet: Papierkram hin und her, Hauptverhandlung, Anträge, Beweisaufnahme ... den ganzen bürokratischen Zirkus halt bis hin zu den Entscheidungen über die Kosten und die Asservate.
Freno
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Re: "Ampel 2021" will Cannabis legalisieren - was bedeutet das juristisch?

Beitrag von Freno »

Inzwischen ist der Entwurf in den Medien herumgereicht worden: https://www.docdroid.net/VAulz8h/gesetz ... df#page=33

Ich habe hier direkt den § 52 des Entwurfs verlinkt, der mit "Rehabilitierungsmaßnahmen" überschrieben ist. Tatsächlich handelt es sich nur um eine einzige dieser Maßnahmen, nämlich die Löschung von Einträgen im Bundeszentralregister, die auf Verurteilungen von - früheren - Straftaten beruhen, die nach dem Entwurf nicht mehr strafbar oder nur noch mit Geldbuße bewehrt sein soll.

Eine Regelung zur noch laufenden Vollstreckung von Geld- oder Freiheitsstrafen für frühere Delikte, die nach dem Entwurf nicht mehr strafbewehrt wären, fehlt indessen. Beispiel: Karl Kiffer ist wegen Besitzes von 20 g Cannabis zu einer Geldstrafe von € 1.200 rechtskräftig verurteilt worden, die Karl Kiffer in monatlichen Raten von € 100 "abstottern" darf. 6 Monate nach der Verurteilung tritt der oben verlinkte Entwurf als Gesetz in Kraft - was nun ?! Ich weiß es nicht. Nach dem Entwurf müsste Karl Kiffer weiter 100 € jeden Monat abdrücken, aber könnte die Löschung seiner entsprechenden Vorstrafe beim Bundeszentralregister beantragen - eine ziemlich absurde Situation und nicht die einzige absurde Regelung, die dieser Entwurf enthält - siehe den thread dazu: viewtopic.php?t=20115

Sehr vorteilhaft für Betroffene von laufenden Verfahren ist allerdings, daß der Entwurf den Besitz, den Erwerb, ja sogar die Einfuhr von bis zu 25 g Cannabis explizit für straffrei erklärt, ebenso die Aufzucht von 3 Cannabis-Pflanzen als "home-growing", was wahrscheinlich einen Ertrag von mehr als 25 g erwarten lässt. Den "growern" werden also noch weitaus größere Mengen - die der Entwurf jedoch nicht quantifiziert - zugestanden.

Weiterhin strafbewehrt sollen allerdings die Weitergabe, auch unentgeltliche Weitergabe bleiben.

Jedenfalls diejenigen Betroffenen, denen

a) nur der Besitz von weniger als 25 g Cannabis oder
b) der Besitz von 3 Cannabis-Pflanzen bzw. deren Ernte

vorgeworfen wird, können diesen Entwurf in ihr Ermittlungs- oder Hauptverfahren "einbringen". Wie sie das am sinnvollsten tun, hängt vom Einzelfall ab - auf jeden Fall sollte es durch einen anwaltlichen Verteidiger erfolgen. Ein guter Strafverteidiger kann dieses "Einbringen" auch häufig am Telefon mit dem zuständigen Staatsanwalt oder Richter erledigen - schließlich verfolgen auch die Richter und Staatsanwälte, die mit BtMG zu tun haben, den Legalisierungsprozeß mit eben so großem Eigeninteresse, wie die Betroffenen !

Wie ich schon öfters geschrieben habe: in solchen Fällen ist das "Spiel auf Zeit" sehr erfolgversprechend und die Erfolgsaussichten sind noch besser geworden. Das gilt auch dann, wenn die Strafverfolgungsbehörden oder das Gericht der 1. Instanz "hartleibig" sind und das Verfahren weiter betreiben und verurteilen wollen. Dann legt man eben Berufung und Revision ein, schlimmstenfalls Verfassungsbeschwerde - die Chance, daß während des regelmässig mehrere Jahre dauernden Instanzenzuges ein Legalisierungsgesetz in Kraft treten wird und in diesen Fällen dann zugunsten des Angeklagten berücksichtigt werden und zum Freispruch führen muß, ist sehr groß.

Ein solcher Freispruch durch "Aussitzen" kann für die Betroffenen auch deswegen günstiger sein, weil bei einem Freispruch regelmässig eine Erstattung der "notwendigen Auslagen" des Angeklagten - va die gesetzlichen Anwaltsgebühren - durch die Staatskasse angeordnet wird. Bei einer Verfahrenseinstellung dagegen bleibt man oftmals auf den Anwaltskosten sitzen.

Wie auch schon öfters gesagt: hier kann man nur eine grobe Richtung aufzeigen, die zu einem glimpflichen Ausgang der Verfahren führen können - die Umstände der Einzelfälle kann man hier nicht erörtern, das muß der Beratung mit dem anwaltlichen Verteidiger vorbehalten bleiben.
Freno
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Re: "Ampel 2021" will Cannabis legalisieren - was bedeutet das juristisch?

Beitrag von Freno »

Wir haben September 2023 und einen Regierungs-Entwurf für ein "CanG" - näheres hier:

viewtopic.php?t=20322

In diesem thread ist auch ein youtube-Video einer SPD-MdB verlinkt, die sehr optimistisch ein Inkrafttreten um den 1.1.24 herum in Aussicht stellt.

Dies verändert die Lage der von Repressionen Betroffenen dramatisch zu deren Gunsten ! Weil, wie schon öfters ausgeführt, Gerichte und Behörden nur ungerne für den Papierkorb arbeiten, wird der Verfolgungsdruck nun generell stark abnehmen - soweit es um Delikte geht, die nach noch geltendem Recht strafbar sind, aber höchstwahrscheinlich in einigen Monaten "entkriminalisiert" werden.

Dies sind va die Fälle, in denen nur der Besitz oder der Erwerb (egal ob gegen Bezahlung oder "für lau") von weniger als 25 g Cannabis im Inland vorgeworfen wird.

Die Weitergabe, insbesondere der Verkauf bleibt weiter strafbar, ebenso die Ein-, Aus- und Durchfuhr. Ebenso bleiben die negativen "Kollateralschäden" va im Bereich des Straßenverkehrs - "Führerschein" - unberührt. Über die gesetzliche Festsetzung von Grenzwerten im Straßenverkehr wird nach wie vor heftig gestritten, einen Gesetzentwurf gibt es dazu derzeit nicht.

Wer also aktuell von Ermittlungsverfahren nur (!) wegen Besitzes oder Erwerbs von bis zu 25 g Cannabis im Inland betroffen wird, könnte gut damit fahren, die Aussage zu verweigern und explizit Bezug zu nehmen auf den Regierungsentwurf, für den man eine Fundstelle bzw link bei der HP der Bundesregierung parat haben sollte.

In der Beantwortung eines "Anhörungsbogens", der Betroffenen oftmals zugeschickt wird, könnte man etwa folgende Formulierung gebrauchen:

"Ich mache von meinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch. Ich tue dies insbesondere vor dem Hintergrund, daß die Bundesregierung vor kurzem eine Gesetzesvorlage zum Bundestag beschlossen hat, wonach die mir vorgeworfene Straftat in absehbarer Zeit entkriminalisiert werden soll. [Angabe einer Fundstelle / alternativ: "Dies ist allgemein bekannt."]

Bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge ist mit einem Inkrafttreten dieser Vorlage der Bundesregierung als vom Bundespräsidenten verkündeten Gesetzes zu rechnen, bevor das gegen mich geführte Verfahren zu einem rechtskräftigen Abschluß kommen kann. Ich gehe davon aus, daß diese absehbare Gesetzesänderung in jedem Stadium des Verfahren zu meinen Gunsten berücksichtigt werden wird."

Hämischer Kommentare sollte man sich dabei tunlichst enthalten, um keine "Beißlust" zu provozieren !

Wenn man bei einer "Kontrolle erwischt wird" kann man das auch mündlich "rüberbringen". Auch in diesem Falle sollte man sich hüten, übertrieben selbstbewußt aufzutreten - siehe oben ! Durchsuchungen und Beschlagnahmen sollte man widersprechen, dazu habe ich mich schon geäussert:

viewtopic.php?t=168

(Ziemlich am Ende !)

Das "Spiel auf Zeit", das über längere Zeiträume nur mit einem anwaltlichen Verteidiger mit Erfolgsaussicht gespielt werden kann, könnte jetzt und in Anbetracht des in Gang gebrachten Gesetzgebungsverfahrens, und da es möglicherweise nur noch um einige Monate geht, auch ohne den - leider sehr teuren - anwaltlichen Verteidiger zu spielen sein.

100% sicher ist man damit aber nicht. Die Legalisierung kann noch "platzen", genauso wie die Ampel-Koalition als Solche, deren Rückhalt in der Bevölkerung meiner Wahrnehmung nach im Schwinden begriffen ist.

Es ist auch häufig gerade für den Laien nicht einfach, festzustellen, was ihm eigentlich zur Last gelegt wird. Insbesondere in "Führerscheinsachen" wird man auch weiterhin um den Anwalt nicht herumkommen.

Immerhin kann man aber in einfach gelagerten Fällen die Inanspruchnahme des teuren Anwalts für einige Monate nach hinten verschieben und hat eine realistische Chance, daß sich der Anwalt durch ein in Kraft getretenes "Legalisierungsgesetz" dann erübrigt.
Freno
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Re: "Ampel 2021" will Cannabis legalisieren - was bedeutet das juristisch?

Beitrag von Freno »

Inzwischen haben wir Dezember und die für diesen Monat geplante 2. Lesung, in welcher der Entwurf zum Gesetz werden sollte, wurde auf Betreiben der SPD-Fraktion(-spitze) abgesetzt, der Entwurf an die Innenministerkonferenz verwiesen.

Ich selbst bin pessimistisch, glaube nicht, daß der Entwurf noch Gesetz werden wird, sondern daß er noch eine Zeit lang in Gremien von "Bedenkenträgern" zum zerreden herumgereicht und dann mehr oder weniger stillschweigend beerdigt wird. Ausserdem halte ich es für recht wahrscheinlich, daß die Ampel-Koalition u.U. schon bald auseinanderbricht.

Man kann aber auch anderer Meinung sein - es sind letztendlich politische Spekulationen und die sind auch von politischen Grundhaltungen und -einstellungen geprägt. Offiziell befindet sich der Entwurf immer noch "im Gesetzgebungsverfahren".

Die hohe Wahrscheinlichkeit jedoch, daß die Teil-Legalisierung alsbald "kommt" hat sich jedoch deutlich erniedrigt.

Meinen im September gegebenen Rat, auch ohne anwaltliche Vertretung "auf Zeit zu spielen", kann ich unter diesen Umständen nicht mehr aufrecht erhalten.

Die nunmehr eingetretene Unsicherheit erreicht nämlich auch die Staatsanwaltschaften und Gerichte, wo man - meiner Überzeugung nach - in etlichen Fällen ebenfalls auf Zeit gespielt hat, dh "Cannabis-Fälle" liegen gelassen hat, um sich unnötige Arbeit und auch den Betroffenen unnötige Belastungen zu ersparen in den Fällen, in den die heutigen Straftaten nach dem Entwurf "entkriminalisiert" worden wären.

Optimisten und Faulpelze (von denen es eine Menge gibt) in der Justiz werden diese Cannabis-Fälle vielleicht weiter liegen lassen, Pessimisten und hardliner jedoch werden auch diese Fälle wieder vorantreiben wollen.

Wer also in diesen Tagen von Repressionsfällen betroffen ist, muß ich leider wieder den unbeliebten, weil teuren Rat geben, sich anwaltlichen Beistands zu bedienen.

Warum der Anwalt so wichtig ist, habe ich hier einmal versucht, allgemein zu beschreiben:

viewtopic.php?t=19192
Freno
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Re: "Ampel 2021" will Cannabis legalisieren - was bedeutet das juristisch?

Beitrag von Freno »

Die Lage hat sich wiederrum verändert: am heutigen Tage hat der Bundestag den Entwurf des CanG beschlossen und bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge wird es am 1.4. d.J. in Kraft treten.

Das bedeutet eine große Erleichterung für all diejenigen, die aktuell "ein Verfahren am Hals haben", sofern das nach noch geltender Rechtslage strafbare Verhalten ab dem 1.4. legalisiert werden wird. Wie schon öfters betont: Gesetzesänderungen zu Gunsten des Angeklagten/Beschuldigten sind in jeder Lage eines laufenden Verfahrens - vom Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft bis zum Instanzenweg der Gerichte "von Amts wegen" zu berücksichtigen.

Das betrifft aber nur diejenigen Fälle, in denen ein Besitz von weniger als 25 g Cannabis im öffentlichen Raum bzw. 50 g Cannabis in der eigenen Wohnung vorgeworfen wird - und sonst nichts. "In Verkehr bringen", insbesondere Handeltreiben bleiben weiter strafbar - aber auch hier können sich hinsichtlich des Strafmaßes günstigere Konstellationen einstellen. Weiter strafbar bleibt insbesondere die "Rauschfahrt", das Führen von Kraftfahrzeugen unter Cannabis-Einfluß. Hierzu sollen in den nächsten Monaten Grenzwerte "regierungsamtlich" festgesetzt werden - das bleibt abzuwarten.

Die Richter und Staatsanwälte, die dienstlich mit "BtM-Sachen" zu tun haben, verfolgen den Legalisierungsprozeß sehr aufmerksam. Die allermeisten davon werden die entsprechenden Akten "auf Wiedervorlage" zu einem Datum nach dem 1.4. "abverfügen", dh nichts mehr tun, bis man entgültige Sicherheit über die geänderte Rechtslage hat. In den "legalisierten" Fällen werden sehr viele Anklagen zurückgenommen, Ermitttlungsverfahren eingestellt werden "mangels Nachweises einer Straftat" gem. § 170 II StPO, weil die Strafbarkeit rückwirkend entfallen ist. In den Fällen, in denen es zu einer Hauptverhandlung kommt, muß sie - wohlgemerkt: nur in den o.g. Fällen ! - zwingend mit Freispruch enden.

Deswegen sollte man es sich sehr gut überlegen, ob man sich jetzt noch auf Verfahrenseinstellungen gegen Auflagen oder sonstige "deals" einlassen sollte - das kann man aber nie im Allgemeinen sagen und die Umstände des Einzelfalls kann man nur mit einem anwaltlichen Verteidiger "ausdiskutieren".
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Re: "Ampel 2021" will Cannabis legalisieren - was bedeutet das juristisch?

Beitrag von Crosser71 »

Gelten die 50 Gramm eigentlich pro Wohnung oder pro Person in der Wohnung?
Darf dann also meine Frau 50 Gramm in der Wohnung haben und ich auch noch einmal 50 Gramm in der Wohnung haben?
Gleiches bei der Anzahl der lebenden Pflanzen.
Gehört hatte ich auch, dass man angeblich erst ab Juni Pflanzen draußen anbauen dürfte?
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Re: "Ampel 2021" will Cannabis legalisieren - was bedeutet das juristisch?

Beitrag von Kaikoura »

Die 50 Gramm gelten pro Person, die 3 Pflanzen auch pro Person.

Anbauen kannst du ab dem 1.04, wenn das Gesetz zu diesem Zeitpunkt in Kraft tritt.
Was das draußen anbauen betrifft, du musst halt dort sicherstellen das keine Unerlaubten dritten Zugang haben könnten.In der Wohnung /Haus sicherlich einfacher zu bewerkstelligen als zum Beispiel im Schrebergarten.

Ab dem 1.07 ist es dann in den Anbauvereinigungen erlaubt.
Zuletzt geändert von Kaikoura am Sa 24. Feb 2024, 08:02, insgesamt 1-mal geändert.
Respekt ist zumutbar, immer.
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Re: "Ampel 2021" will Cannabis legalisieren - was bedeutet das juristisch?

Beitrag von Crosser71 »

Danke dir.
Freno
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Re: "Ampel 2021" will Cannabis legalisieren - was bedeutet das juristisch?

Beitrag von Freno »

Kaikoura hat geschrieben: Sa 24. Feb 2024, 07:56 Die 50 Gramm gelten pro Person, die 3 Pflanzen auch pro Person.

(...)
So einfach ist das nicht mit den Grenzen pro Person, weil nämlich Leute, die in einer Wohnung zusammenleben, grundsätzlich Mitbesitz an allen Sachen in der Wohnung haben, die nicht durch besondere Maßnahmen, insbesondere Verschluß, dem Mitbesitz der Mitbewohner entzogen sind. Insbesondere Eheleute haben expliziten Mitbesitz an allen Sachen in der Ehewohnung. Deswegen muß man damit rechnen, daß bei Eheleuten die Mengen addiert und jedem ein Besitz an der Gesamtmenge zugerechnet werden wird - zum strafrechtlichen Nachteil.

Besitz - oder wie es strafrechtlich heißt: Gewahrsam - als Rechtsbegriffe stellen nicht auf das Eigentum, also die rechtliche Verfügungsmacht ab, sondern die "unmittelbare Sachherrschaft".

Beispiel 2er WG: die Mitbewohnis schließen ihre Zimmer nicht ab und räumen einander das Recht ein, ihre jeweiligen Zimmer zu betreten und nicht verschlossen aufbewahrte Sachen zu entleihen. Wenn jeder der beiden jeweils 50 g in seinem Zimmer in einer Dose im Regal stehen hat, haben beide Besitz an 100 g zumindest dann, wenn sie sich alleine in der Wohnung aufhalten. Anders verhält es sich jedoch, wenn die 50 g verschlossen und der "Sachherrschaft" des anderen entzogen sind. Schließt aber nur einer der beiden seine 50 g weg, so bleibt er trotzdem Mitbesitzer der anderen 50 g, hat also insgesamt Besitz an 100 g, wohingegen der andere, der seine 50 g nicht wegschließt, nur an seinen eigenen 50 g Besitz hat.

Beispiel Besuch: A, der gerade 20 g auf dem Schwarzmarkt erworben hat, besucht seinen Freund B in dessen Wohnung. B bewahrt selbst 40 g in seiner Wohnung auf. A und B beschließen einen gemeinsamen Kneipenbesuch, während dessen A sein Cannabis mit B's Einverständnis in dessen Wohnung belässt. In dem Moment, in dem B die Wohnungstür verschließt, erwirbt er Besitz an insgesamt 60 g Cannabis !

Beispiel "housekeeping": A, der 3 Pflanzen in seiner Wohnung aufzieht, und 40 g Cannabis aufbewahrt, unternimmt einen Wochendausflug. Sein vertrauter Freund B kümmert sich um A's Katze und auch A's Cannabis-Pflanzen und erhält einen Wohnungsschlüssel und auch die Erlaubnis, von A's Cannabis zu konsumieren, das offen in einer Dose im Regal steht. B zieht selbst 3 Pflanzen auf und bewahrt 40 g Cannabis in seiner Wohnung auf. In dem Moment, indem er A's Wohnungsschlüssel übernimmt, erwirbt er Besitz an 80 g Cannabis sowie 6 Pflanzen !

Insbesondere Eheleuten würde ich also dazu raten wollen, sich entweder auf die jeweils hälftige Menge zu beschränken - also nur insgesamt 50 g Cannabis in der Ehewohnung aufzubewahren und nur 3 Pflanzen gemeinsam zu besitzen. Alternativ käme in Betracht, durch entsprechenden Verschluß die fraglichen Sachen vor dem Mitbesitz des anderen zu schützen. Bei "konsumfertigen" Cannabis ist das relativ einfach zB durch 2 verschlossene Geldkassetten - bei Pflanzen jedoch ziemlich schwierig. Zudem ist die rechtliche Schutzwirkung gerade bei Eheleuten durchaus fraglich. Bei einer reinen Wohngemeinschaft würde ich den Verschluß vor den Mitbewohnern für ausreichend halten wollen - aber nur dann, wenn sich alle des Verschlusses befleissigen, siehe oben !

Derartige Spitzfindigkeiten sind leider seit langem in der Rechtspraxis Alltag geworden und insbesondere in der Rechtssprechung zum Diebstahl - dem Bruch fremden Gewahrsams (Besitzes) und Begründung eigenen Gewahrsams (Besitzes) - noch viel komplizierter ausgefeilt worden, als in den obigen Beispielen.

Wirklich verlässlich wird die Rechtslage erst dann, wenn zum Besitz iSd CanG höchstrichterliche Urteile - ab OLG aufwärts - vorliegen und das wird noch Jahre brauchen.
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