Verjährungsfrist beginnt von vorne - wann und wieso?

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dertestnutzer
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Registriert: Do 9. Feb 2023, 18:47

Verjährungsfrist beginnt von vorne - wann und wieso?

Beitrag von dertestnutzer »

Hallo!

Ich sehe mich einem Vorwurf gegenüber im Oktober 2017 8g Cannabis im Internet erworben zu haben.

Über das Strafverfahren und eine Einladung zur Aussage wurde ich im April 2023 informiert.

BTM Angelegenheiten verjähren normalerweise nach 5 Jahren. Diese 5 Jahre sind seit Oktober 2022 überschritten. Mir ist bekannt, dass die Berechnung der Verjährung etwas kompliziert ist und es zu Unterbrechungen kommen kann usw.

Ich war dann aber doch überrascht, als mein Anwalt mich darüber aufgeklärt hat, dass diese Verjährung in meinem Fall sogar von vorne beginnt. Ich also quasi seit März 2023 oder früher (ich weiß nicht genau welcher Schritt der Exekutive hier maßgeblich war) nochmal von vorne beginnt. Also jetzt die Verjährung erst 2027 oder 2028 ansteht und sogar dann nochmal von Seiten der Justiz eine Verlängerung herbeigeführt werden könnte.

Kann mir da jemand Licht ins Dunkel bringen? Ich hatte beim Gespräch mit dem Anwalt nicht die geistige Gegenwart da genauer nachzufragen, würde das aber gerne besser verstehen.

Danke
Freno
Beiträge: 803
Registriert: Do 7. Jan 2021, 17:00

Re: Verjährungsfrist beginnt von vorne - wann und wieso?

Beitrag von Freno »

Ich habe zur Verjährungsfrage schon einiges in dem ersten thread über diesen Fall geschrieben: search.php?author_id=19106&sr=posts.

Es wäre zuerst festzustellen, wann die Tathandlung - das ist nicht etwa der Erwerb, sondern der Besitz ! - tatsächlich im Rechtsinne beendet worden ist. Nämlich erst dann beginnt die Verjährungsfrist zu laufen. Dh Du müsstest "die ganze Geschichte", die zu diesem Vorwurf geführt hatte, genau so erzählen, wie sie sich zugetragen hatte, mit allen Einzelheiten. Das liefe, wenn Du tatsächlich 8 g Cannabis in dem fraglichen Zeitraum besessen haben solltest, auf ein Geständnis hinaus, das auch dann vor Gericht verwertet werden kann, wenn es nicht gegenüber den Behörden, sondern gegenüber einem "Dritten", einer "Privatperson" abgegeben worden ist.

Nehmen wir also mal an, Du würdest Vertrauen zu mir fassen und mir "die ganze Geschichte", die zu diesem Vorwurf geführt hatte, nach vorheriger Absprache via PN am Telefon erzählen wollen. Dann könnte es passieren, daß die Strafverfolgungsbehörden, die dieses Forum garantiert auch im Auge haben, sich einen gerichtlichen Abhör-Beschluß - "Anordnung der Telefonüberwachung" - besorgen. Es könnte auch passieren, daß ich selbst auf einmal eine Vorladung zur Zeugenaussagen bekomme, was Dich (und auch mich selbst irgendwo) in eine äusserst missliche Lage bringen könnte.

Schon aus diesem Grund ist es unmöglich, vermittels dieses Forums Licht ins Dunkel dieser Verjährungsproblematik zu bringen. Wir kommen hier leider an eine Grenze.

Allgemein lässt sich nur vermuten, daß es - unterstellt, der Tatvorwurf wäre als solcher richtig - zur Unterbrechung und/oder Hemmung der Verjährung gekommen ist. Nicht alle Ereignisse, die Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung herbeiführen, muß der Betroffene auch mitbekommen. Es gibt eine ganze Reihe solcher gesetzlich normierten Ereignisse, die man relativ leicht online ermitteln kann. Vielleicht hilft das ja weiter ?

Man kann auch, wenn man von einer solchen Unsicherheit beplagt ist, einen Telefontermin mit seinem Verteidiger vereinbaren, und sich "die Sache" nochmal erklären lassen - wenn der Verteidiger nach den gesetzlichen Gebühren bezahlt wird, dürften dafür keine besonderen Kosten anfallen. Es ist für Anwälte auch irgendwie normal, daß ihre Strafmandanten, wenn sie vor ihnen sitzen, "nicht ganz da sind". Es ist eben maximaler Streß für einen jeden, wenn die Staatsanwaltschaft hinter einem her ist.

Tatvorwürfe, die klar verjährt sind, werden idR nicht verfolgt. Wenn auch der anwaltliche Verteidiger davon ausgeht, daß keine Verjährung eingetreten ist, dann kann man davon ausgehen, daß die Verjährungsfrage als solche geklärt ist und eine Berufung auf die Verjährung wenig Aussicht auf Erfolg hat.

Immerhin ist es tröstlich, daß lange Zeiten zwischen der vorgeworfenen Tat und der Verhandlung - wenn es zu einer kommen sollte - zugunsten des Beschuldigten berücksichtigt werden. Tröstlich dürfte auch der Legalisierungsprozeß sein, der den "moralischen Schuldvorwurf" beträchtlich relativiert.

Mit etwas Geschick des Verteidigers ist die Sache, wenn sie denn vor Gericht kommt, sehr wahrscheinlich mit einer Einstellung nach §§ 153, 153a StPO "totzuschlagen", so daß keine "Vorstrafe" zurückbleibt.
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