Bundesregierung will Verschreibung von Cannabis bremsen
Angekündigt hatte es die CDU-Bundesgesundheitsministerin schon länger, jetzt macht sie ernst: Die Abgabe von Cannabis an Kranke soll nur noch nach vorherigem, persönlichem Kontakt mit dem Arzt erfolgen. Auch der Versand wird verboten.
Unmittelbar nach ihrem Amtsantritt hatte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) bereits klargemacht, was sie von der von ihrem Amtsvorgänger Karl Lauterbach (SPD) auf den Weg gebrachten Teil-Legalisierung von Cannabis hält: nämlich nichts. "Ich habe das Gesetz nicht unterstützt", stellte sie in einem FAZ-Interview klar. In diesem kündigte sie auch an, welche Schritte sie gehen wird, um das missliebige Gesetz offenbar wieder zurückzudrehen.
Als erstes hat sich Warken nun das Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG) vorgeknöpft. LTO liegt ein Referentenentwurf vor, der an diesem Montag auch mit Frist zum 1. August an die Verbände geschickt wurde. Konkreter Hintergrund der Gesetzesinitiative ist eine aus Sicht des Gesundheitsministeriums (BMG) inflationäre Zahl von Cannabis-Verschreibungen infolge des Ampelgesetzes.
BMG: "Cannabis-Import um 170 Prozent gesteigert"
Im Medizinal-Cannabisgesetz hatte diese geregelt, dass Cannabis für Kranke wie etwa Schmerzpatienten, zwar weiter nach den geltenden sozialrechtlichen Voraussetzungen als Arzneimittel verschrieben werden muss. Da Cannabis aber nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft wird, braucht es seit der Gesetzesliberalisierung durch die Ampel auch kein besonderes Betäubungsmittelrezept mehr. Ein reguläres Rezept reicht. Auch ist der Versand der Blüten durch Apotheken möglich.
In der Folgezeit stellte sich nun heraus, dass die Erteilung derartiger Rezepte durch Ärzte deutlich zunahm. Wurde die Verschreibung etwa durch das Ampelgesetz zu leicht gemacht? Oder konnten vielleicht auch Menschen ohne medizinische Indikation auf diese Weise leicht an Cannabis gelangen?
"Unser Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat ermittelt, dass sich der Verbrauch seit April 2024 im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahrs von 31 auf 100 Tonnen verdreifacht hat", beklagte Warken im Mai. Im nun vorgelegten Gesetzentwurf (Bearbeitungsstand 18.6.2025) heißt es, der Import von Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken vom ersten Halbjahr 2024 zum zweiten Halbjahr 2024 habe sich um 170 Prozent gesteigert. "Es ist sehr einfach, online an eine Verschreibung zu kommen: Man kreuzt in einer Checkliste an, welche Beschwerden man angeblich hat, und erhält ein Onlinerezept", so die Gesundheitsministerin.
Verschreibung nur nach Besuch beim Arzt
Nun soll dieser Entwicklung ein Riegel vorgeschoben werden. Erste Maßnahme: Die Verschreibung von Cannabis darf künftig nur nach vorherigem, persönlichem Arzt-Patienten-Kontakt erfolgen.
"Es wird geregelt, dass die Verschreibung von Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken nur nach einem persönlichen Kontakt zwischen einer Ärztin oder einem Arzt und der Patientin oder dem Patienten in der Arztpraxis oder im Rahmen eines ärztlichen Hausbesuches erfolgen darf. Damit wird eine ausschließliche Behandlung im Rahmen der Videosprechstunde ausgeschlossen", heißt es in dem Gesetzentwurf.
Zuvor sei es für Patienten möglich gewesen, nach Ausfüllen eines Online-Fragebogens auf einer Telemedizinplattform und durch die Versendung der Cannabisblüten über kooperierender Versandapotheken an Cannabis zu gelangen.
Da allerdings der Gesetzgeber 2018 ein absolutes Fernbehandlungsverbot durch Ärzte ausgeschlossen hat, sieht Warkens Entwurf nun vor, dass jedenfalls bei einer Erstverschreibung von Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken die Möglichkeit der Videosprechstunde ausgeschlossen ist. "Bei Folgeverschreibung ist eine Konsultation pro vier Quartale vorgesehen. Bei Gemeinschaftspraxen müssen die Folgerezepte dabei nicht zwangsläufig von derselben Ärztin oder demselben Arzt, aber in derselben Arztpraxis ausgestellt werden."
Beratung und Aufklärung in der Apotheke
Zweite Maßnahme, die der Entwurf vorsieht: Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken dürfen künftig nicht mehr im Wege des Versandes an Endverbraucher abgegeben werden. Stattdessen müsse eine umfassende Aufklärung und Beratung persönlich in der Apotheke erfolgen. So sei ein Inverkehrbringen von Cannabis im Wege des Versandes "zu riskant" und "mit Blick auf die Patientensicherheit nicht sachgerecht".
Als grundlegendes Motiv für die geplanten Verschärfungen betont Warkens Gesetzentwurf den Gesundheitsschutz von Cannabis-Patienten: "Bei der Behandlung mit Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken ist unter anderem wegen der Suchtgefahr sowie weiterer Gesundheitsrisiken, Nebenwirkungen und unerwünschter Arzneimittelwirkungen ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit der zu behandelnden Person sinnvoll und geboten", heißt es. Zudem müsse die Patientin oder der Patient im Lichte der bestehenden Chancen und Risiken ausdrücklich in die Behandlung mit Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken einwilligen. "Eine solche ausführliche Anamnese, körperliche Untersuchung, Aufklärung und Einwilligung sollten bei der Verschreibung von Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken im persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt im Rahmen der ärztlichen Behandlung und Beratung vor Ort durchgeführt werden."
Abzuwarten bleibt nun, ob der Gesetzentwurf aus dem CDU-geführten auch beim Koalitionspartner SPD, der die geltende Rechtslage zu verantworten hat, auf Zustimmung trifft. Eine Anfrage von LTO in der SPD-Bundestagsfraktion blieb bis zum Erscheinen dieses Artikels unbeantwortet.
Quelle:
https://www.lto.de/recht/hintergruende/ ... rztbesucht